Ãœber 10.000 Fußballplätze – Groundhopper Karl-Heinz Stein und seine unfassbare Leidenschaft

Groundhopping ist eine ausgefallene Leidenschaft, selbst unter den eingefleischtesten Fußballfans. Die "Stadion-Hüpfer" reißen Abertausende Kilometer in ihren Autos ab, um die entlegensten Spielorte zu erreichen. Nur so lässt sich der Spaß für den Durschschnittsbürger finanzieren. Der Weltmeister der Disziplin, die in den 70er Jahren in England bekannt wurde, kommt aus Düsseldorf-Rath.

Groundhopping ist ein exklusives Hobby. Das weiß keiner besser als die deutsche Legende der Szene, Karl-Heinz Stein, der kürzlich seinen 75. Geburtstag feierte. 1970 etwa hat er ein gutes Monatsgehalt dafür ausgegeben, die WM in Mexiko vor Ort zu erleben – 1600 Mark waren das damals, und das ohne Eintrittskarte. „Ich hätte schon einige Häuser bauen können", meint Stein in Bezug auf seine Ausgaben für sein Hobby. „Aber Erinnerungen sind viel schöner als zehn Häuser."

Als 16-jähriger Schüler nach Edinburgh getrampt – Liebe gefunden!

1957 entdeckte Karl-Heinz Stein als damals 16-jährige Schüler die Liebe zum Groundhopping, als er in den Ferien die lange, beschwerliche Reise nach Edinburgh auf sich nahm, um Hibernian FC gegen East Fife FC im schottischen Pokal zu sehen. Seitdem hat der Düsseldorfer mehr als 10.000 Arenen und Stadien, aber auch einfache Ascheplätze besucht. Er gilt damit als der Groundhopper mit den meisten „Grounds", ist in der Szene eine lebende Legende.

Das Stadion des Hibernian FC: Hier fuhr Karl-Heinz Stein 1957 hin
Im Easter Road sah Karl-Heinz Stein 1957 das Pokalspiel Hibs gegen East Fife

Das Easter Road Stadium des Hibernian FC in Edinburgh heute. Hier verliebte sich Karl-Heinz Stein in Groundhopping. Foto: James W Copeland – 414641947/Shutterstock.com

Groundhopping (deutsch: Stadionhüpfen) wurde erst in den 70er Jahren ein Begriff, nachdem der Brite Geoff Rose 1974 in der Zeitschrift „Football League Review" vorschlug, für alle Fans, die jedes der 92 Stadien der damaligen englischen Profivereine besucht hatten, eine spezielle Krawatte herzustellen. Vier Jahre später wurde der „92 Club" gegründet – die erste offizielle Groundhopper-Vereinigung.

Weder in diesem noch einem anderen Klub des organisierten Groundhoppings ist Karl-Heinz Stein Mitglied – auch wenn er die besagten 92 Stadien selbstverständlich längst in seiner Vita stehen hat. Doch für viele ist das hilfreich, wenn es darum geht, gemeinsame Fahrten zu organisieren, Gleichgesinnte zu finden und Erfahrungen auszutauschen.

Organisiertes Groundhopping: 300 Grounds als Mindestanforderung

So gibt es auch in Deutschland seit 1993 die „Vereinigung der Groundhopper Deutschlands". Um als Mitglied vorgeschlagen werden zu können, muss man 300 besuchte Grounds in 30 Ländern vorweisen können – eine ganz schöne Hausnummer. Deswegen gibt es auch gerade einmal 75 Mitglieder des erlesenen Zirkels.

Ungezählt sind allerdings all diejenigen, die unorganisiert in aller Welt dem Hobby des Groundhopping nachgehen. „Ich habe schon sehr viele Groundhopper in meinem Leben kennen gelernt", sagt Sportexperte Heinz Patzelt von sportwettentest.net. „Für viele ist es mehr als ein Hobby. Es ist ein Abenteuer." Und deswegen gilt auch das ungeschriebene Groundhopping-Gesetz: Je ausgefallener, desto besser.
Karl-Heinz Steins allererster Ausritt kann sicherlich ohne Probleme in die Kategorien „ausgefallen" und „Abenteuer" fallen. Mit 16 alleine zu einem Brieffreund nach Watford trampen, von dort dann weiter nach Schottland. In Heuschobern habe er zum Teil geschlafen, erzählt Stein heute. „Später konnte ich besser Englisch als mein Lehrer in der Schule", fügt er lächelnd hinzu. Denn sein Groundhopping-Debüt in Edinburgh entflammte nicht nur die Liebe zum ungewöhnlichen Hobby, sondern auch zum britischen Fußball. London, Cardiff, Liverpool, Dunfermlin – es gibt kaum einen Platz auf den Inseln, den Stein noch nicht gesehen hat.

Von Finnland bis Tirana: Ohne Auto geht es nicht

Favorisierte Region Nummer zwei des Düsseldorfers: Skandinavien. Schöne Landschaften, gut zu bereisen, für Stein natürlich bis in die achte Liga runter, egal ob Schweden, Norwegen oder Finnland. Und das alles, im Gegensatz zu seinem ersten Trip nach Edinburgh, mit dem eigenen Wagen. Hunderttausende Kilometer dürfte Stein so abgerissen haben. Er bediente sich oft bei einer bei Groundhoppern beliebten Methode, Geld zu sparen und übernachtete oft im Auto. Denn unvernünftig war der deutsche Groundhopping Weltmeister nie: „Ich hatte immer Geld an der Seite, habe nie Schulden gemacht."

Im Qemal Stafa Stadion in Tirana verpasste Deutschland 1967 die EM-Qualifikation
Das größte Stadion in Albaniens Hauptstadt Tirana: Das Qemal Stafa

Auch hier war Stein schon: Im Qemal Stafa Stadion sah er 1967 die „Schmach von Tirana“. Foto: Prometheus72 – 143088832/Shutterstock.com

Das Reisen im eigenen Auto ist für viele Groundhopper ein probates Mittel, um das ausgefallene Hobby nicht das gesamte Ersparte verschlingen zu lassen. Neben dem Vorteil, den Schlafplatz gleich dabeizuhaben, ist auch die Flexibilität ein großes Plus. Mit eigenem Gefährt kann man dann nämlich schon auch einmal mehr als ein Spiel am Tag sehen, oder verschiedene Spielorte an einem Wochenende besuchen. Nachteil allerdings: Es braucht viel Durchhaltevermögen, wenn man auch in die entlegensten Stadien will und dafür Tausende Kilometer auf der Straße zurücklegen muss.

Karl-Heinz Stein etwa war mal bei einem EM-Qualifikationsspiel der deutschen Nationalmannschaft in Tirana. 1967 war das, ein 0:0 gegen Albanien. Dafür 1.973 Kilometer und fast 22 Stunden auf der Straße – und zurück. Herzlich Willkommen im Leben eines Groundhoppers.

Rekord: Neun Spiele in sieben Ländern an sechs Tagen

So viele Plätze wie er hat keiner gesehen. Doch es gibt noch einige Rekorde und die eine oder andere Kuriosität, für die andere gesorgt haben:

  • König der Länderpunkte: Carlos Farsang. Der hatte schon 1999 90 Länderpunkte auf dem Konto. Einen Länderpunkt bekommt man pro Land, in dem man ein Fußballspiel gesehen hat.
  • „Fari“ stellte auch den Groundhopping-Rekord auf, in sechs Tagen bei neun Spielen in sieben Ländern gewesen zu sein. Seine Reisen finanziert er mit Auftritten als Straßenkünstler mit
    seiner Bauchrednerpuppe.
  • Ken Ferris, Mitglied des legendären „Club 92“, schaffte es in der Saison 1994/95, innerhalb von 237 Tagen alle englischen Profistadien bei offiziellen Spielen zu besuchen. Eintrag ins
    Guiness-Buch der Rekorde!
  • Einer der Verücktesten unter den Groundhoppern ist ein Engländer, der grundsätzlich zu abgesagten Spielen fährt. Um sich vor Ort vom Nicht-Stattfinden zu überzeugen.
  • Sport unter Groundhoppern: Kopfball-Punkte sammeln. Für jeden Platz, auf dem man es geschafft hat, einen ins Publikum fliegenden Ball zurück aufs Feld zu köpfen, gibt es einen Punkt. Tipp
    für Ambitionierte: In England gibt es keine Fangzäune und man sitzt direkt am Spielfeldrand…

Ikonen wie Carlos Farsang oder besagtem Karl-Heinz Stein inspirieren natürlich auch den Groundhopping-Nachwuchs. So schreibt ein Groundhopper in einem Blogbeitrag bewundernd von seiner Begegnung mit Stein – auf einem Ascheplatz, bei der Begegnung MSV Duisburg Amateure gegen Schwarz-Weiß Essen im Februar 2001.

West Ham spielte 2016 zum letzten Mal im legendären Upton Park
Großer Andrang auf das letzte Spiel im Upton Park

Großer Andrang auf eines der legendärsten Stadien überhaupt: Im Mai 2016 spielte West Ham zum letztn Mal am Boleyn Ground. Foto: Claire Doherty – 447243169/Shutterstock.com

Er habe gerade gehen wollen, weil ihn die Verlegung auf den Ascheplatz zu sehr nervte, schreibt der Blogger. Doch ein gewisser Herr Stein sprach ihn an und versuchte, seine Vorurteile gegen Ascheplätze und untere Ligen allgemein abzubauen. Erzählte dabei von seiner unfassbaren Groundhopping-Bilanz und beeindruckte damit. „Und diese Begeisterung – vor allem auch für einfache Spielorte – kauft man ihm wirklich ab," berichtet der Blogger, „denn er redet von jedem Sportplatz und Stadion wie von einem alten Freund, den er vielleicht länger nicht gesehen hat, mit dem ihn aber gemeinsame Erinnerungen verbinden." Das nennt man dann wohl Groundhopping-Romantik.

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